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Notizen machen

Interviews aus der Branche

Ein Interview mit Dr. Julia Sprenger

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Was verstehen Sie unter Finanzbildung?

Der Begriff Finanzbildung oder auch Finanzwissen ist genau wie sein englisches Pendant Financial Literacy ein schillernder und wird nicht einheitlich verwendet. Im Kern beziehen sich diese Begriffe aber auf ein Verständnis grundlegender Finanzkonzepte, die für den Umgang mit Geld wichtig sind. Will man sie messen, tut man dies zum Beispiel, in dem man erhebt, ob jemand Fragen zum Prinzip der Risikodiversifizierung, zur Wirkungsweise von Zinsen oder zum Zusammenhang von Inflation und Kaufkraft beantworten kann.

Und was bedeutet dann Finanzkompetenz?

Während der Wissensbegriff mehr an einer kognitiven Ebene ausgerichtet ist, orientiert sich der Begriff Finanzkompetenz stärker am Handlungsaspekt, also auf die Fähigkeiten im persönlichen Umgang mit Finanzen. Zu der Einschätzung von Finanzkompetenz gehören daher auch typischerweise Fragen wie: Gibt es eine persönliche Finanzplanung? Oder: Beschäftigt man sich mit der eigenen Altersvorsorge? 

Für mich laufen in dem Begriff Finanzkompetenz Wissen und Anwendung zusammen. Kurz gefasst würde ich daher sagen, Finanzkompetenz beruht auf anwendungsorientiertem Grundlagenwissen und sie spiegelt sich in unserem Umgang mit Finanzen. 

 

Warum ist Finanzbildung wichtig?

Finanzbildung ist wichtig, weil jeder von uns Finanzentscheidungen treffen muss. Manche von ihnen haben langfristige Folgen wie zum Beispiel Entscheidungen zur Altersvorsorge oder die Finanzierung einer Immobilie, aber auch unser Sparverhalten summiert sich über die Zeit zu größeren Effekten. Finanzbildung ist wichtig, um finanzielle Ziele zu erreichen, mit begrenzten finanziellen Ressourcen umzugehen oder um die eigenen Finanzen in die Hand zu nehmen. Und sie trägt zu unserem finanziellen Wohlbefinden bei.

Welchen Unterschied macht die Finanzbildung bei Finanzentscheidungen?

Vor einer Finanzentscheidung hat man typischerweise eine Vielzahl von Informationsquellen zur Verfügung. Bei geringem Finanzwissen ist die Hürde, sich mit Finanzthemen zu befassen allerdings höher. Während eine geringe Finanzbildung also eine Aversionen gegen die Beschäftigung mit finanziellen Angelegenheiten verstärken kann, so dass man diese Themen am Ende immer weiter aufschiebt, kann eine gute Finanzbildung dabei unterstützen, Finanzthemen anzugehen und am Ende eine informierte Entscheidungen zu treffen.

Was sind Hürden auf dem Weg zu einer guten Finanzbildung?

Wenn man keinen systematischen Zugang zu dem Thema Finanzen erfährt, ist es nicht leicht, sich dieses Wissensfeld selbst zu erschließen und Finanzkompetenz aufzubauen. Denn einerseits geht man nicht unbefangen an das Thema heran, sondern ist davon beeinflusst, wie man im Elternhaus in Bezug auf den Umgang mit Geld geprägt wurde und andererseits kann man so auch Wissenslücken schlecht erkennen und überschätzt dadurch möglicherweise sein Finanzwissen. Neben dem Fehlen eines einfachen, systematischen Zugangs zu einem Grundlagenwissen zum Thema Finanzen, mag eine ganz konkrete Hürde, sich mit dem Thema Finanzen zu befassen, auch die Sprache sein, die als kompliziert und schwer zugänglich erlebt wird.

Gehören Finanzbildung und Finanzkompetenz zusammen?    

Es ist für mich einleuchtend, dass zwischen den beiden Begriffen eine große Nähe besteht und auch bei dem Begriff Finanzbildung oft ein Kompetenzaspekt mitschwingt. Denn Studien zeigen, dass Menschen, die eine höhere Finanzbildung haben, tatsächlich auch bessere Finanzentscheidungen treffen, in dem sie zum Beispiel ihr Geld anders anlegen oder sich stärker um ihre Altersvorsorge kümmern. Finanzwissen immunisiert aber nicht automatisch gegen Entscheidungsfehler. Die Verhaltensökonomik hat gezeigt, wie sehr nicht nur eigenes Wissen und Informationen, sondern auch Heuristiken und Biases unser Entscheidungsverhalten beeinflussen. Finanzbildung ist aber ein notwendiger und wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Finanzkompetenz, informierten Finanzentscheidungen und finanzieller Inklusion.

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